Bad Säckingen
Bad Säckingen auf den ersten Blick: Brunnen, Parkbänke, Kurkliniken und -cafés, sowie eben: Trompeter. Ein wenig Grillbudensumpf um den Bahnhof herum. Ein Müllmuseum soll es hier geben. Für einen Kurort dürfen erstaunlich viele Laubbläser, Steinbohrer und Preßlufthämmerer ihren stumpfen Industrial-Sound entfalten. Dazu die Cabriofahrer: Je undifferenzierter der Musikgeschmack, desto weiter nach rechts gedreht ihre Volumenregler. Flucht ins Münster mit seinen sehenswerten Fresken, Skulpturen und Reliquienschreinen. Plötzlich bin ich der führende Lärmproduzent: Das Quietschen der Gummisohlen meiner Dachdeckerschuhe scheint sich im heiligen Raume von selbst zu verstärken. Raus in die Natur. Auch die kleine Schweiz am anderen Ufer des flaschengrünen Hochrheins produziert ein fettes Pfund Verkehrslärm. Nach einer halben Stunde erreiche ich den Fähranleger für Rheinquerungen hinüber ins eidgenössische Mumpf. Die Fähre geht nur zu wenigen Stunden die Woche. Schade. Auf Schweizer Seite mumpft Mumpf stoisch im Schienen- und Straßenlärm, auch das Gekrächze eines Mumpfer Kleinkinds trägt das Wasser herüber, „NDB sind alle Hurensöhne“, hat eine jugendliche Hand in das Wartehäuschen gekritzelt, flach eilt der Rhein von dannen und entkommt sich nicht. Eine Eidechse wuselt durchs Ufergebüsch. Unter der Autobrücke mit Spraylack: „People not profit“ – der Sinn wechselt mit der Betonung. Auf der Schnellimbißmeile zum Aufgang der Holzbrücke herrscht chicque`s Apostrofieren: Im Rhybrugg gibt’s „Cocktail`s Und Und Milch-Shake`s – Latte M. – Cappu. – Säfte – Biere“, das Menü im Imbiss an der Holzbrücke lautet wie eine mathematische Gleichung „Currywurst mit Pommes und 0,2 lt. Cola = 4,80“, das passende Motto „Kebap und Pizza`s“. Über Scholle`s Croque Laden galoppiert ein fescher Bronzetrompeter auf füsslilike wieherndem Roß. „Gegen Wasser und Feind im Jahre 1343 erbaut wurde der Gallusturm im Jahre 1973 von der Narrenzunft Saeckingen wiederhergestellt als Bollwerk gegen Truebsal.“ Da steht er nun. Etwas rheinauf das EnBW-Bollwerk zur Energieerzeugung, das Wehr des Laufwasserkraftwerks, aus dessen einzig offener Schleuse ein mörderisch anmutender Teilrhein strömt. Im Haus der Fischerzunft eine eigentlich geschlossene Fotoausstellung mit Motiven vom Bergsee. Doch der Fotograf lauert auf Besucher, erzählt von seinen monetschen Ansätzen. Ach ja, der Bergsee, dorthin machte doch das halbe Säkkingen einen Picknickausflug, in Scheffels Trompeter, und bald trat der mißmutige Waldgeist Meisenhartus in Erscheinung. Durch die Unterführung hinterm Bahnhof („das Geld wird töten“), vorbei an alten Mühlsteinen und Hanfreiben, sowie eher neuzeitlich ausschauenden Kurkliniken und Altenheimen entere ich den Hotzenwald.
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Stan Lafleur geboren 1968 in Karlsruhe. Lebt in Köln. Bisher zwölf Einzeltitel (Lyrik und Prosa). Außerdem Hörspiele und zahllose Publikationen für Print, auf MC, LP, CD, DVD, im Radio, TV und Internet. Ausgewählte Gedichte wurden für Zeitungen, Zeitschriften, Anthologien und Festivals ins Arabische, Englische, Französische, Italienische, Kroatische, Persische, Polnische, Rumänische, Russische und Spanische übersetzt. Sein Werk erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. Letzte Einzeltitel: die welt auf dem fusz, Fußballgedichte mit Halbzeitpause, Koall Verlag, Berlin 2006; blick in den himmel, Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2009.
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